Erstellt von Wilhelm Müller, bis zu seiner Pensionierung Studiendirektor am Hohenstaufen Gymnasium Kaiserslautern, geboren am 12.01.1926, gestorben am 14.06.1998, Vereinsmitglied seit dem 08.04.1969.
Im Übrigen Vorgänger von Helmut Hürter als Leiter der Schach-AG am Hohenstaufen Gymnasium, wo beide kurzzeitig gemeinsam Lehrer waren.
Aus der Chronik des SK Kaiserslautern 1905
Im Jahre 1905 – der genaue Tag ist nicht bekannt – wurde im Lokal Trompeter in der Riesenstraße der Schachklub Kaiserslautern aus der Taufe gehoben. Maßgeblich an der Vereinsgründung beteiligt war ein Mann, der in der Gründungsversammlung zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde: Karl Eckart. Es steht unserem Klub im Jahr seines 75jährigen Jubiläums wohl an, dieses hervorragenden Menschen und Schachspielers in Stolz und Dankbarkeit zu gedenken. Nicht besser kann es geschehen als mit den Worten, die sein täglicher Schachpartner, Schüler und Freund Dr. Gleich ihm bei seinem Tod am 12. Dezember 1932 nachrief: Die Kaiserslauterer und die Pfälzische Schachgemeinde hat einen schweren Verlust zu beklagen. Landesbaurat Karl Eckart, der langjährige Direktor am Eisenwerk Kaiserslautern und Leiter der Brückenbauabteilung ist gestorben. Am 7. Mai 1866 als Sohn eines Landwirts in Langenzenn bei Nürnberg geboren, trat er in jungen Jahren als Student der Technischen Hochschule in München in den Kreis der Verehrer unseres königlichen Spiels, dem er sein ganzes arbeitsreiches Leben lang mit großer Liebe anhing. Er brachte es bald zu einer ansehnlichen Spielstärke und maß gelegentlich in Turnieren seine Kräfte. In seiner Heimat in Nürnberg wurde Dr. Tarrasch sein Lehrmeister. Er hatte hier Gelegenheit, die großen internationalen Meisterturniere von 1883 und 1891 zu beobachten. Als er mit dem Beginn des Jahres 1900 nach Kaiserslautern kam, wurde hier das Schachspiel nur in kleinem Kreise gepflegt. Es ist nicht zuletzt seinem Einfluss zu verdanken, dass das Schachleben im Laufe der Jahre einen starken Aufschwung nahm. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Schachklubs Kaiserslautern, der ihn anlässlich seines 25jährigen Jubiläums im Jahre 1930 zu seinem Ehrenmitglied ernannte. Auch der Pfälzische Schachbund erkannte seine Verdienste um das pfälzische Schach durch Verleihung der Ehrenmit-gliedschaft an.
Für Karl Eckart war das Schach eine geistreiche Liebhaberei, eine Gemüt und Verstand befriedigende Ausfüllung freier Stunden, eine Bereicherung des Lebensinhalts. Das ist gewiss nicht wenig, aber mehr war es ihm nicht. Es war ihm insbesondere kein Betätigungsfeld ehrgeizigen Strebens, keine Leidenschaft, die ihn von seiner Berufsarbeit hätte ablenken können. Wenn er in den Turnieren des Schachklubs Kaiserslauterns mitspielte, – er fehlte nie wenn er Zeit hatte – sah er nur selten einmal auf die Tabelle. Ihn kümmerte es wenig, ob er Erster wurde, was sehr oft der Fall war, oder nicht; ihn fesselte nur die eben in Gang befindliche Partie und die Probleme ihrer Stellung. Er wägte die Möglichkeiten sorgfältig ab, ehe er sich entschied, und spielte gegen starke und schwache Gegner mit der gleichen Sicherheit. So war er nur sehr schwer zu schlagen. In den zahlreichen auswärtigen Wettkämpfen, an denen er teilnahm, hatte er lange Jahre hindurch keine Partie verloren. Seine Spielweise war durch Tarrasch stark beeinflusst, obwohl er die Bedeutung dogmatischer Lehrsätze nicht überschätzte. Das Positionsspiel, die Herausarbeitung und Ausnutzung kleiner Stellungsvorteile war seine Stärke. Aus der alten Schule hervorgegangen, – er bevorzugte die Spanische Eröffnung – hatte er dem Ansturm der Jungen, die vielfach ihre Kräfte im Kampf mit ihm entwickelten, bis zuletzt Stand gehalten.
Nun ist er von uns gegangen, nicht nur der treue Freund und stille Gönner des Schachs, sondern auch der lautere und gütige Mensch, dessen schlichte Art und vornehmer Charakter jedem, der mit ihm in Berührung trat, Wertschätzung und Vertrauen abnötigten. Die inhaltsreiche Schachpartie seines Lebens hat einen tragischen Ausgang genommen. Er hatte nicht mehr die Kraft, einem „Schach!“, das ihm das Schicksal an seinem Lebensabend zurief, zu begegnen. Er gab die Partie nicht auf. „Ich kämpfe verzweifelt um meine Gesundheit“, so schrieb er im vergangenen Sommer aus Bad Kissingen, wo er Heilung suchte. Doch war seine Widerstandskraft wohl schon gebrochen, das Spiel bereits verloren, das der Tod mit seinem unerbittlichen Matt nun beendet hat. Aber im Gedächtnis seiner Schachfreunde und in der Schachgeschichte Kaiserslauterns und der Pfalz ist ihm ein dauernder Ehrenplatz gewiss.
Ich habe diesen Nachruf, dieses Dokument der Freundschaft, in fast voller Länge abgedruckt, weil es zeigt, was Schach auch sein kann und sein sollte: eine Möglichkeit menschlicher Begegnung und Selbsterfahrung. Die Geschichte jeder Gemeinschaft ist letztlich immer die Geschichte der einzelnen Menschen, die ihr angehören, die sie formen und von ihr geformt werden. Ein Jubiläum ist, auch in unserer geschichtsmüden Zeit, freilich oft nur eine wohlfeile Gelegenheit, eine glänzende Vergangenheit prahlend vorzuzeigen, doch sollte das der Sinn von Jubiläen eigentlich nicht sein. Vergangenheit ist nicht so sehr Schmuck als Fundament. Der große Schweizer Archäologe und Mythenforscher Bachofen (1815 – 1887) berichtet von einem antiken Orakelspruch, der den Megarern gegeben wurde. Als dieser Volksstamm die Königsherrschaft gestürzt hatte, lies er in Delphi fragen, was nun zu tun sei, um das Glück des Landes zu begründen. Die Antwort war: Mit der Mehrheit sollten sie sich beraten. In richtiger Auslegung des Wortes wurde hierauf den Toten mitten im Rathaus eine Gedenkstätte errichtet. „Das ist ein Stimmenmehr“, setzt Bachofen hinzu, „wie es der heutigen Demokratie wohl nicht gefiele. Und doch ist mit den Toten zu Rate zu gehen die sicherste Bürgschaft der Volkswohlfahrt.“ Wenn er von den Toten ihrer „schweigenden Mehrheit“ spricht, dann meint er damit in sehr ernster Weise, was man auch Tradition nennt. Die Toten sollten Partner der Lebenden bleiben; in den Bildern der Vergangenheit können wir uns selbst und unsere Situation oft wiedererkennen (vgl. dazu Kaltenbrunner, Tribüne der Zeit, Heft 11/1976, S. 45ff).
Unter 21 weiteren noch namentlich bekannten Mitgliedern der ersten Stunde befindet sich auch der Rechtsanwalt Dr. Ernst Krieger, den Problemfreunden unter dem Pseudonym P. A. Orlimont bekannt als erfolgreicher Problemkomponist, Entdecker des sog. parakritischen Systems und dreier genau definierter Problemthemata. Die übrigen Namen auszuführen würde den Rahmen sprengen, wenngleich es reizen könnte, denn es leben wohl noch Schachfreunde, die aufgrund persönlicher Bekanntschaft oder mündlicher Überlieferung ein farbiges Bild von bloßen Namen zeichnen könnten.
Das Spielmaterial des jungen Vereins wurde, wie der Chronist berichtet, „billigst im hiesigen Zuchthaus durch gefangene Drechsler und Schreiner hergestellt“. Sicher war das deshalb möglich, weil ein Mitglied Aufseher, ein anderes Lehrer am Gefängnis war.
Regelmäßig wurden nun Turniere durchgeführt. Zwischendurch gab der spielstarke Herr Eckart Simultanvorstellungen, bei denen er meist alle 10 bis 12 Partien gewann, oder er leitete zusammen mit einem Prof. Degel hin und wieder einen Unterrichtsabend. Nach theoretischen Ausführungen wurde dann die vorgestellte Eröffnung gleich in Simultanpartien ausprobiert.
Die Spiellokale wechselten; auf dem „Trompeter“ folgte die „Weiße Laterne“, dann der „Karlsberg“ und zuletzt das Café Käfer, wo im Jahre 1910 der Verein sich auflöste. Als Gründe für die Auflösung nennt die Chronik die schlechte Beteilung an den Klubabenden sowie den Wegzug eifriger Mitglieder. Sicher hat auch das Missvergnügen mancher Damen an dem zeitaufwändigen Schachvergnügen der Herren eine Rolle gespielt. Doch die Unentwegten trafen sich nach der Auflösung weiterhin. Zu ihnen stieß im August 1911 ein Herr Benno Kohlmann, der bei seinen neuen Schachfreunden bald den Anstoß gab, den Klub aufs Neue zu gründen. Am 3. November 1912, einem Samstag, war es soweit; der Schachklub erstand zum zweiten Male; Vorsitzender wurde besagter Herr Kohlmann. Spiellokal war wieder das Café Käfer, das sich gewissermaßen zum „Café de la Régence“ in Kaiserslautern entwickelt hatte.
Im Mai 1913 gab der Schachmeister Gudehus aus Mannheim eine Simultanvorstellung, im gleichen Monat des folgenden Jahres der Wiener Meister Albin (Albins Gegengambit). Sie eröffneten damit den Reigen der Meister und Großmeister, die von nun an in schöner Regelmäßigkeit in Kaiserslautern ihre Visitenkarte abgaben: Mieses, Sämisch, Weltmeister Dr. Lasker, Bogoljubow, Reti, Frhr. V. Holzhausen, Spielmann, Aljechin, Ahues, Brinkmann, Eliskases, Lothar Schmid, Euwe, manche von ihnen mehrmals, wie z. B. Bogoljubow, der hier nicht weniger als fünf Gastspiele gab.
1913 trat der Verein auch dem Bayerischen Schachbund bei und beschickte den 1. Bayerischen Schachkongress in Bad Kissingen mit den Herren Rebmann und Kohlmann. Kohlmann war lange Zeit Anwärter auf den 1. Preis im Nebenturnier, musste aber schließlich mit einem geteilten 3. – 5. Platz vorliebnehmen.
Auch den Damen wurde nun hin und wieder etwas geboten. So gab sich z.B. der Klub am 14. November 1913 „hiermit die Ehre“, Mitglieder und Gäste „nebst w. Angehörigen zu seinem… im oberen Festsälchen des Cafés Käfer stattfindenden 1. Stiftungsfest ergebenst einzuladen“. Zwischen 7 und 9 Uhr abends gab es eine Tombola sowie ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm, anschließend Tanz. Die gedruckte Einladung mit der Vortragsfolge ist erhalten. – Der Schachklub hatte sich unter der Leitung Benno Kohlmanns nun auch einen festen und geachteten Platz im gesellschaftlichen Leben der Stadt errungen.
Schon am 14. Mai des folgenden Jahres folgte eine ähnliche Veranstaltung, und alles deutete auf eine stetige Aufwärtsentwicklung des Vereins, als der Ausbruch des ersten Weltkriegs die schönen Hoffnungen im Keim erstickte. Wir erteilen hier unserem (namentlich leider unbekannten) Chronisten das Wort:
Der Schachklub stand in höchster Blüte. Unser auswärtiges Mitglied, Herr Römmig in Ludwigshafen, leitete in dieser Zeit das große internationale Turnier in Mannheim, das schon deswegen Erwähnung verdient, weil damals Aljechin und Bogoljubow zum ersten Mal an einem internationalen Wettkampf teilnahmen. Da brach der Weltkrieg aus und bereitete, wie vielem anderen, auch dem Schachleben ein jähes Ende. Der größte Teil der Mitglieder eilte zu den Fahnen in heller Kriegsbegeisterung. Von dem Vereinsvermögen in Höhe von 45 Mark wurden 15 Mark der Nationalstiftung für Kriegshinterbliebene, 30 Mark dem Roten Kreuz gespendet. Während der ganzen Kriegszeit konnte kaum mehr von einem Schachklub gesprochen werden. Forderungen, die eingingen, erledigte in großzügiger Weise Herr Obergeometer Rebmann, so dass, 1918 der Klub wenigstens schuldenfrei erwachen konnte.
Draußen aber im schlecht beleuchteten Unterstand, im tiefen Schützengraben und auf luftiger Beobachtungsstelle erwachte das Schachspiel an stillen Tagen und in langer Nacht zu neuem Leben. In manchen Lazaretten wurden Turniere abgehalten. Auch die Urlauber gestatteten sich in der Heimat im ruhigen Schachcafé eine Partie mit Kameraden oder alten Herren des Klubs.
Nach dem bitteren Ende des Krieges sammelten sich die Heimkehrer allmählich wieder zu neuen Schachtaten; viele blieben ganz fern, sie hatten in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren vollauf zu tun, die elementarsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Jedenfalls fand erst 1919 die erste statutenmäßige Generalversammlung nach dem Krieg statt, im Jahr darauf am 1. Februar die erste Simultanveranstaltung. Wieder war es der Mannheimer Gudehus, der verpflichtet wurde. Solche Simultanspiele stellten in jenen Jahren, da die Menschen noch ortsgebundener waren und der Informationsfluss noch nicht so überbordend, einen wichtigen Bestandteil des Vereinslebens dar; sie gaben wie ein offenes Fenster den Blick frei auf eine größere, weitere Schachwelt. Der Reigen der Meister – große Namen waren darunter -, die sich in den nächsten Jahren in Kaiserslautern vorstellten, reißt kaum ab. Daneben gab es zwischen den Vereinen der pfälzischen Städte frei vereinbarte Wettkämpfe. So kreuzte der Schachklub Kaiserslautern des Öfteren freundschaftlich die Klingen mit den Klubs aus Ludwigshafen, Pirmasens, Landstuhl, Zweibrücken, Worms. Mannschaftsmeisterschaften wie heute gab es noch nicht, der 1922 ins Leben gerufenen Pfälzische Schachkongress war lange das einzige offizielle Turnier, zu dem die Vereine ihre Einzelkämpfer entsandten. Lange führte unser Klub alljährlich ein sog. Winterturnier durch, und zwar in mehreren Klassen mit Auf- und Abstieg. Der Chronist hat über die Ergebnisse genau Buch geführt, und auch die Presse berichtete regelmäßig und ausführlich von diesen Veranstaltungen. Der Sieger durfte sich als Klubmeister fühlen. Starke Spieler traten mitunter auch in Simultankämpfen gegen schwächere Gegner des eigenen Klubs an, so im März 1920 Sackmann, Rebmann, Eckart und Paul Münch, der unvergessene Dichter der „Pfälzisch Weltgeschicht“. Nur Paul Münchs Ergebnis ist überliefert. Es „gelang“ ihm, von 12 Partien 11 zu verlieren und eine Remis zu halten. Wie mag er dabei geschmunzelt haben? Denn man muss wissen, dass er ein starker Spieler war. Schon in seinen Münchener Studentenjahren bewies er als Mitglied des Akademischen Schachklubs beachtliche Spielstärke. Einige von ihm damals gespielte Blindpartien geben davon Zeugnis. Auch in Kaiserslautern war er ein eifriger Schachjünger und eine Stütze des Schachklubs. Nach Tisch konnte man ihn fast täglich im Nebenzimmer des Cafés Käfer in Aktion sehen. Dabei muss es oft lustig zugegangen sein; es leben noch Zeugen, die seinem „Gesang“ gelauscht haben. – Neben dem Partiespiel galt seine besondere Liebe immer dem Schachproblem. Seine ersten Aufgaben erschienen um die Jahrhundertwende, seine letzten wenige Monate vor seinem Tod am 2. Januar 1951. Freunde des Problemschachs sollten vielleicht versuchen, seine Kompositionen zu sammeln und zu sichten, um auch diese Seite seines Schaffens der Nachwelt zu erhalten.
Hier drei Kostproben:
1926 sieht Kaiserslautern ein großes Schachereignis: Vom 7. bis 15. August wird im „Waldschlösschen“ das Rheinmeisterschaftsturnier ausgetragen. Aber ganz zufrieden ist man dennoch nicht. Der Chronist klagt:
Größeres war geplant, aber die Unterstützung der mit der Kulturförderung betrauten amtlichen Stellen blieb aus. Ja, wenn es sich um Körpersport gehandelt hätte! Aber nur Schach! – So hat denn die Kaiserslauterer Schachgemeinde mit alleiniger Unterstützung durch die beteiligten Landesverbände die Opfer gebracht, die zur Austragung der Rheinmeisterschaft in unserer Barbarossastadt erforderlich waren. Wir begrüßen die Kämpfer im edlen Wettstreit, die alle am Rhein gelegenen deutschen Gaue von der holländischen bis zur Schweizer Grenze vertreten. Kommt doch durch diese Zusammenkunft die enge Verbundenheit aller Deutschen am Rhein erneut zum Ausdruck, ungeachtet der Grenzen zwischen unbesetztem und besetztem Gebiet, zwischen Saar und Pfalz.
Im folgenden Jahr traf den Schachklub ein harter Schlag. Der bedeutende, weit über die Grenzen der Pfalz hinaus anerkannte Problemkomponist Franz Sackmann starb im besten Mannesalter. Aus dem Nachruf in der „Pfälzischen Presse“:
Nach mehrwöchigem schweren Leiden ist Oberingenieur Franz Sackmann in der Nacht vom 21. auf 22. Februar erst 38 Jahre alt gestorben. Mit ihm verliert die Schachwelt einen Großmeister der Problemkunst, der in den zwei Dezenien seines Schaffens ganz Hervorragendes geleistet hat. Die Zahl seiner Aufgaben ist nicht übermäßig groß, aber was er schuf und der Veröffentlichung wert erachtete, waren ausnahmslos Meisterwerke, scharf in der Idee, blendend in der Konstruktion, von überraschendem, meistens ziemlich schwierigem Lösungsverlauf, kurz: vollendet nach Form und Inhalt. Daneben war er auch literarisch tätig. Schon als 17jähriger Student war er Mitarbeiter der Akademischen Schachblätter, dann redigierte er den Problemteil der Süddeutschen Schachblätter, des Organs des Bayerischen Schachbundes. Seine enorme Sachkenntnis machte es ihm leicht, diese schwierigen Arbeiten in mustergültiger Weise durchzuführen. Beruflich sehr stark in Anspruch genommen, beschränkte er sich später auf gelegentliche Mitarbeit, und stets war es ein Genuss für den Kenner, einen Aufsatz über dieses oder jenes Problem- oder Endspielgebiet aus der Feder Franz Sackmanns zu lesen.
Im Laufe der Jahre hat sich der Verewigte vielfach an in- und ausländischen Problem-turnieren beteiligt und eine große Zahl von Auszeichnungen erhalten. Wiederholt wurden seine Aufgaben mit ersten Preisen prämiert, ja beim Problemturnier des Deutschen Schachbundes in Frankfurt a. M. im Jahre 1923 errang er bei schärfster Konkurrenz in der
2 -, 3 – und 4 – Zügerabteilung je den ersten Preis. Seine hervorragenden Leistungen würdigte der Deutsche Schachbund im Jahre 1924 durch Verleihung der für besondere Verdienste geschaffenen Medaille in Meißner Porzellan, eine Auszeichnung, die bisher nur einigen wenigen zuteil geworden ist.
Der praktischen Partie brachte Franz Sackmann geringeres Interesse entgegen, obgleich er über eine sehr respektable Stärke verfügte. So besuchte er die Klubabende sehr unregelmäßig, wenn aber bei besonderen Ereignissen der Ruf an ihn erging, war er stets zur Stelle.
Persönlich war Franz Sackmann von liebenswürdiger bescheidener Natur; er sprach nie von seinen großen Erfolgen und hörte es auch ungern, wenn andere sie erwähnten. So kam es, dass sogar unter den hiesigen Schachfreunden manche sich seiner großen Bedeutung als Problemkomponist nicht bewusst geworden sind.
Der Verfasser hat einen oft benutzten Mechanismus glücklich verwendet. Die klare und präzise Konstruktion und noch mehr der gesamte interessante Lösungsverlauf mit einem den Gesamtinhalt ideegemäß einleitenden Anfangszug bringen eine prächtige Wirkung hervor. — Die starke Konstruktion des kunstgeübten Verfassers, die alle Hindernisse spielend zu überwinden scheint, verdient gewürdigt zu werden. Gegen den festsitzenden schwarzen König richtet der weiße Springer von zwei Seiten her seine Angriffe. Schützend halten die beiden Türme Wacht. Der Einleitungszug wirkt wie eine Bombe schwersten Kalibers und erschüttert zunächst den einen in seinen Grundfesten. Helfend sprengt die Reiterei herbei, aber nun gerät auch der andere ins Wanken. In einer anderen Fassung hat der Komponist Th6 und Sg8 durch Dh7 und Lg8 ersetzt. Doch möchte ich der vorliegenden den Vorzug geben, weil sich die beiden Parallelspiele schon äußerlich ähnlicher sind und außerdem noch auf jeder Seite ein Bauer eingespart werden konnte. (Der Preisrichter W. Mühlhäuser, Rheingönnheim)
Der Preisrichter: G. Ernst
Für die Partiespieler zum Abschluss noch drei weitere lehrreiche Endspiele von F. Sackmann. Weiß zieht jeweils und gewinnt.
Einen Höhepunkt für die Lauterer Schachfreunde brachte dann wieder das Jahr 1930, als unser Klub sein 25jähriges Bestehen feierte und sein Jubiläum mit der Ausrichtung des 8. Pfälzischen Schachkongresses krönte. Man konnte auf Erfahrungen zurückblicken, denn sechs Jahre zuvor hatte der Verein den 2. Pfälzischen Schachkongress durchgeführt. Und es gab Parallelen; genau wie 1924 stellte auch diesmal wieder die schlechte wirtschaftliche Gesamtlage hohe Ansprüche an die Opferfreudigkeit aller Beteiligten. Aber man wollte dennoch etwas Besonderes bieten, und so lud man Karl Ahues aus Berlin, den „Meister von Deutschland“, zur Teilnahme an diesem Turnier ein – und er kam, um den pfälzischen Spielern Gelegenheit zu geben, „sich im Kampf mit ihm zu stählen“. Auch Weltmeister Aljechin folgte der Einladung zu einem Simultanspiel und gestaltete die Vorstellung zu einer Demonstration seiner Stärke. An 30 Brettern verlor er nicht eine einzige Partie, nur fünf Spielern gestattete er ein Remis. Übrigens war er, wie die Zeitung berichtet, vom Spiellokal aufs angenehmste überrascht und erklärte, in einem „solchen prächtigen Raum“ noch niemals Simultanveranstaltungen gegeben zu haben. Am frühen Nachmittag des ersten Ostertages nahm der Weltmeister auch an einer Kranzniederlegung am Grabe des allzu früh verstorbenen Franz Sackmann teil.
Der Schachklub nahm die Feier seines Jubiläums auch zum Anlass, in der Presse für das Schach zu werben und für seinen erzieherischen Wert eine Lanze zu brechen. In einem „Vorwort“ zum Kongress lesen wir in der „Pfälzischen Presse“ über das Schach und seinen Bildungswert:
Das „reine Verstandespiel“ wird zu einem Spiel aller Kräfte, der geistigen und der Psychischen. Temperament und Gefühl spielen ebenso mit wie die Willensstärke, Energie, Ausdauer, Wagemut und Beherrschtheit. So wird die Schachpartie zur Ausdrucksform der Persönlichkeit des Spielers, sie offenbart ihm die Stärken und die Schwächen seiner Charaktereigenschaften und spornt ihn an, die Schwächen zu beseitigen, die Harmonie seiner Persönlichkeit zu vervollständigen. Darin liegt der hohe Bildungswert des Schachs, der allmählich auch von den Schulen anerkannt und vielleicht in nicht allzu ferner Zeit sogar von der hohen Bildungsobrigkeit entdeckt wird. Dann wird man einen Reichsausschuss gründen, und die selbstlosen Pioniere des deutschen Schachs werden unter der Gnadensonne behördlichen Wohlwollens, die dem Körpersport so freundlich strahlt, erleichtert aufatmen.
Nach dem Kongress kehrte der Schachalltag wieder ein, bis mit dem Jahr 1933 eine Zeit heraufkam, die auch im Schach große, vor allem organisatorische Umwälzungen brachte. Zumindest quantitativ erfuhr das Schach, nun als „geistiges Wehrspiel“ propagiert, einen ziemlichen Aufschwung durch gezielte, mit beträchtlichem Aufwand betriebene Werbung in allen Kreisen des Volkes, vor allem auch in den Jugendorganisationen. – Der bald ausbrechende zweite Weltkrieg traf das Schach allerdings wieder in ähnlicher Weise wie der erste; und mit dem völligen Zusammenbruch des Reiches 1945 lösten sich schließlich auch die letzten Reste eines organisierten Spielbetriebs auf. Erst im Jahre 1947 gestatteten die alliierten Kontrollmächte nach und nach wieder Vereinsgründungen. Der Schachklub Kaiserslautern erhielt im Februar dieses Jahres die Konzession der Militärregierung, und nun hatten es die Schachfreunde – natürlich waren es zunächst wieder die alten, wohlbekannten Namen – verständlicherweise sehr eilig, den Klub zum dritten Male zum Leben zu erwecken. Am 18. Februar 1947 fand im Lokal „Benderhof“ die Gründungsversammlung statt. Vierzehn Schachfreunde, die man nur über den Rundfunk (!) hatte verständigen können, waren erschienen und wählten Fritz Freitag zum 1. Vorsitzenden, den Mann, dem es im Verein mit den Herren Guckenbiehl und Betz vor allem zu danken gewesen war, dass die Besatzungsbehörden ihr Plazet erteilt hatten. Nach der Währungsreform 1948 normalisierten sich die Verhältnisse allmählich, aber es blieb noch eine gewaltige Aufbauarbeit zu leisten.
Dr. Helmut Milz, 1950 zum 1. Vorsitzenden gewählt, war einer von denen die die Kärrnerarbeit beim Wiederaufbau des Vereins leisteten. Der Schachklub nahm unter seiner Führung einen beachtlichen Aufschwung und konnte wieder an die Zeiten alten Glanzes anknüpfen. Viermal (1951, 1952, 1953 und 1960) wurde die 1. Mannschaft mit Dr. Milz Pfälzischer Mannschaftsmeister. Außerdem errang Oskar Rahn 1960 den Pfalzmeistertitel, Friedel Becker holte den Titel eines Pfälzischen Jugendmeisters, und, um jenes Jahr vollends zu einem „Lauterer Jahr“ werden zu lassen, wurde Frau Lahr von der Schachabteilung des Postsportvereins auch noch Siegerin bei den pfälzischen Damen.
Als Dr. Milz 1965 das Amt des 1. Vorsitzenden an Walter Stegmann übergab, konnte er wahrhaftig auf stolze Erfolge zurückblicken. Seine Leistung gewinnt noch an Gewicht, wenn man bedenkt, dass er neben seiner Tätigkeit für den Verein – von seiner beruflichen Inanspruchnahme soll hier gar nicht erst geredet werden – auch dem Pfälzischen Schachbund acht Jahre lang diente als 1. Vorsitzender.
In diesem Jahr feiert Dr. Milz seinen 60. Geburtstag. Wir wünschen ihm, dem z. Zt. einzigen Ehrenmitglied des Klubs, alles Gute und noch viele Jahre viel Freude beim Schachspiel. Denn das Spiel pflegt er noch, wenn er ihm auch nicht mehr so viel Zeit widmen kann wie früher, und in der 1. Mannschaft ist er immer noch einer der Beständigsten, ein Rückhalt und ein Vorbild für die Jüngeren. Auch der Pfälzische Schachbund wird ihm, wie sein Verein, zu danken haben, nicht nur seinem ehemaligen Vorsitzenden, sondern auch dem Schatzmeister des Sportbundes Pfalz, der der Sache des Schachs stets ein verlässlicher Fürsprecher ist.
Nach Dr. Milz hat Walter Stegmann einen großen Teil seiner Kraft dem Schachklub gewidmet. Schon in der Ära Milz hat er sich bleibende Verdienste um den Spielbetrieb und die schachliche Förderung des Nachwuchses erworben. Als 1. Vorsitzender hat er seine Anstrengungen in dieser Richtung nur noch vermehrt. Wenn er allerdings in den letzten Jahren auf diese seine Bemühungen zu sprechen kam, schwang in seinen Worten bisweilen auch ein Unterton von Verärgerung und Resignation mit, musste er doch häufig mitansehen, dass sein Engagement nicht den verdienten Lohn fand und dass andere ernteten, was er gesät hatte.
Walter Stegmann lag aber nicht nur das Wohl des eigenen Vereins am Herzen, er hat sich ganz allgemein immer für die Belange des Schachs eingesetzt und für seine Verbreitung und Pflege viel getan. Wenn von allen Bezirken der Pfalz der Bezirk VI heute der vereins- und mitgliedermäßig stärkste ist, dann gebührt dafür nicht zuletzt ihm das Verdienst. Auch dem Pfälzischen Schachbund hat er sich eine Zeitlang als 2. Vorsitzender zur Verfügung gestellt.
Als uns am Abend des 3. November 1978 die Nachricht von Walter Stegmanns plötzlichem Tod überraschte, waren wir alle wie betäubt. In diesem Augenblick konnten wir nur dumpf ahnen, welchen Verlust der Schachklub erlitten hatte. Zwar hatte er schon einige Jahre zuvor die Leitung des Klubs abgegeben, aber er war immer der geheime Mittelpunkt geblieben, und es wurde keine Entscheidung getroffen, ohne dass zuvor sein Rat eingeholt worden war. Seit seinem Tod bleibt vor allem auch bei den Klubabenden eine Lücke. Mag auch unsere gefühlsmäßige unmittelbare Betroffenheit inzwischen etwas gewichen sein, die objektive Einsicht in die Größe des Verlustes steht uns heute klarer als je zuvor vor Augen.
Wir sind nun fast schon wieder in der Gegenwart angelangt, und ein Leser, der selbst mitgeholfen hat, die Geschichte des Schachklubs Kaiserslautern zu „machen“, wird vielleicht enttäuscht sein; manches wird er vermissen, einiges wird ihm zu knapp, anderes zu breit dargestellt sein. Aber wir mussten eine Auswahl treffen, eine subjektive zudem, wenn wir nicht kapitulieren wollten vor der Fülle des überlieferten Stoffes, welche Lücken dennoch nicht ausschließt. Es kam uns nicht so sehr drauf an, trockene Fakten möglichst vollständig darzubieten, als vielmehr etwas von der Atmosphäre zu vermitteln, die aus den vergilbten Blättern einer Chronik aufstieg. Wir wollten versuchen, Vergangenheit ein ganz klein wenig wieder lebendig werden zu lassen. Am ehesten schien uns dies gelingen zu können, wenn wir dem Chronisten und den Zeitungsausschnitten, die er für uns gesammelt hat, möglichst oft das Wort geben gemäß dem Auftrag, mit dem er seine Aufzeichnungen beginnt:
DER ERINNERUNG BLÄTTER SIND ZEUGE VERGANGENER TAGE,
DARUM REDE DIES BLATT, WENN EINST DIE STIMME VERHALLT!
Der Schachklub Kaiserslautern tritt nun in das letzte Viertel seines ersten Jahrhunderts. Er durchschreitet zur Zeit ein Wellental, wenn man seinen Zustand an dem vergangener Zeiten misst, aber er bemüht sich wieder nach oben zu kommen. Das ist nicht einfach, und Rückschläge sind immer einzukalkulieren. Wenn uns der Blick in die Vergangenheit etwas lehren kann, dann auch dies, dass der Wellenschlag der Gezeiten nicht nur von unserem persönlichen Tun und Wollen abhängt. Das soll uns nicht fatalistisch stimmen, was wir selbst tun können, müssen wir schon tun. Aber es kann uns ein Stückchen hin zu der Gelassenheit eines Karl Eckart, des ersten Begründers unseres Vereins, bringen, der das Schachspiel um seiner selbst willen spielte, ohne allzu oft auf die Tabelle zu sehen.